Die Suppe lügt

Die Suppe lügt“ ist ein Klassiker der kritischen Nahrungsmittelbücher, in dem der Ernährungsexperte Hans-Ulrich Grimm aufdeckt, was wirklich drin ist in unseren Lebensmitteln und wie mit Aromen manipuliert wird. Nach zehn Jahren und 250.000 verkauften Exemplaren seit dem Erscheinen der Erstausgabe sind  viele neue Nahrungsmittelzusatzstoffe, fragwürdige Aromen und lukrative Strategien der Geschmacksindustrie entstanden. Grund genug, den Klassiker der Verbraucher-Bücher komplett zu überarbeitet und stark zu erweitern.

Eine Rezension von Ria Hinken

Beginnen wir doch gleich mal mit einer Frage:

„Würden Sie in den Tank Ihres Autos Wasser mit Benzingeschmack füllen und glauben, dass es damit genau so gut fährt wie mit echtem Benzin?“

Natürlich nicht werden Sie jetzt entrüstet denken.

Was Sie Ihrem Auto nicht zumuten würden, muten Sie, ohne groß darüber nachzudenken, Ihrem Körper täglich zu. Sie gaukeln ihm mit künstlich aromatisierten Lebensmitteln aus industrieller Produktion Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch vor. Das entweder gar nicht oder nur in extrem geringen Mengen vorhanden ist. Beispiel: Erdbeerjoghurt.

„Wissen Sie eigentlich noch, wie richtige Erdbeeren schmecken?“ Sie meinen ja, weil Sie fast täglich Erdbeerjoghurt essen. Da muss ich Sie leider enttäuschen, denn im Erdbeerjoghurt ist vieles drin, aber extrem selten sind es echte Erdbeeren. Es sind künstliche Aromen, die uns nur vortäuschen, dass es sich um richtige Erdbeeren handelt.

Die gesamte Welt-Erdbeerernte würde gerade einmal für 5 Prozent des US-amerikanischen Bedarfs für Erdbeerprodukte reichen.

Da war es naheliegend, dass findige Chemiker nach einer Möglichkeit gesucht haben, Erdbeergeschmack künstlich herzustellen. Das gelang ihnen u. a. mit Sägespänen.

Während dies in den USA als „künstlich aromatisiert“ gekennzeichnet werden muss, muss in Deutschland leider kein Hinweis auf der Verpackung stehen.

Künstliche Aromen sind keine Erfindung der Neuzeit. Einer der ersten Aromenerfinder war Julius Maggi. Er war sozusagen der Erfinder der Trennung des Geschmacks von der Natur. 1886 hat er seine erste Fertigsuppe erfunden. Und die gleichnamige Maggi-Würze kennt fast jedes Kind. Interessant ist, dass Liebstöckel, das im Volksmund auch Maggi-Kraut genannt wird, nicht der Maggi-Würze den Namen gegeben hat, sondern umgekehrt. Maggi hat dem Kraut Liebstöckel den zweiten Namen verliehen, weil es ähnlich schmeckt. In Maggi-Würze ist kein Liebstöckel oder ein anderes Naturprodukt enthalten, das ist die reine Chemie.

Julius Maggi war mit seinen Erfindungen nicht alleine. Damals ging es Schlag auf Schlag: 1871 wurde die Margarine erfunden. 1893 das Backpulver von Dr. Oetker. 1886 rührte ein Apotheker erstmals ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk an, das als Vorläufer von Coca Cola gilt. Die Erfindergemeinde war in Sachen Aromen schon ziemlich früh aktiv.

Heute stellen große Konzerne wie Givaudan und IFF künstliche Aromen und Gerüche im großen Stil her. In die Karten lassen sie sich freilich nicht schauen. Man findet kaum Informationen über diese Branche. Sie agieren im Geheimen. Die Verbraucher sollen nämlich nicht wirklich erfahren, was da so alles ins Essen und in die Getränke gemischt wird. Das wiederum ist ein großes Problem für die immer größer werdende Zahl von Allergikern. Oft können Ärzte kaum noch feststellen, worauf jemand allergisch reagiert, weil die Zusatzstoffe kaum deklariert werden. Erschwert wird dies noch durch Wechselwirkungen verschiedenster Art.

Einst diente der Geschmack des Essens auch dem Schutz des Menschen. Der Körper wurde gewarnt, wenn natürliche Giftstoffe im Spiel waren. Heute kann sich darauf kein Mensch der Moderne mehr verlassen. Unsere Geschmacksnerven sind inzwischen derart entkoppelt, dass ein Zusammenhang nicht mehr hergestellt werden kann.

Dies wiederum könnte den italienischen Bauern aus Kampanien nützlich sein. Weil dort überall giftiger Müll illegal entsorgt wurde, können die Bauern kaum noch ihre hoch toxischen Gemüse und Obstarten verkaufen. Auch die Milch ist stark belastet und infolge auch der Käse.

Man sollte lieber nicht glauben, dass diese Lebensmittel vernichtet würden.

Mit ein paar kleinen Tricks lässt sich die Herkunftsregion ändern. Man könnte sie wahrscheinlich auch mit künstlichen Aromen sogar auf Bioqualität trimmen.

In Berlin durfte ich einmal in einem angesehenen Restaurant die Erfahrung machen, das nicht wirklich im Essen drin war, was auf der Speisekarte stand. Ich bestellte ein Gericht mit Parmesan. Bat um ein laktosefreies Essen, wies aber ausdrücklich darauf hin, dass Parmesan aufgrund seiner Reife keine Laktose mehr enthält und deshalb kein Problem darstellt. Ich wunderte mich schon etwas, als das Essen kam und der angebliche Parmesan in einem extra Schälchen serviert wurde. Die Bedienung meinte, die Köchin hätte gesagt, dass sie auf Nummer sicher gehen wolle. Ich ließ meinen Mann den Käse sicherheitshalber probieren. Geschmacklich war es kein Highlight. Nach Parmesan schmeckte es jedenfalls nicht. Es stellte sich heraus, dass es künstlicher Analogkäse war, der als Parmesan getarnt verkauft wurde. Analogkäse ist viel billiger als guter Parmesan.

Die Deutschen sind Brotesser.

Deutschland ist das Land mit einer einzigartigen Brotkultur weltweit – und das werden wir gemeinsam beweisen, sagt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes e.V. auf seiner Website. Gelobt wird die Vielfalt, die die deutschen Bäcker herstellen. Was dort nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass das meiste Brot kaum noch nach richtigem Brot schmeckt. Brot und andere Backwaren werden heute fast immer aus Fertigbackmischungen hergestellt, deshalb schmecken die meisten Brötchen überall gleich. Roggenbrötchen werden nur noch selten mit richtigem Roggenmehl gebacken. Das ist viel zu zeitaufwendig und zu teuer. Man gibt Malz dazu, damit die Brötchen dunkel aussehen. Künstliche Aromen erledigen den Rest.

In den Backshops kommen neben Aromastoffen in den Backwaren auch Duftstoffe zum Einsatz, damit es so richtig herrlich nach frischgebackenem Brot riecht, ganz egal ob im Bahnhof oder auf der Tankstelle.

Dass in den USA bereits 95 Prozent der Lebensmittel aus industrieller Produktion stammen, überrascht nicht. Dass jedoch hierzulande auch schon rund 75 Prozent der verzehrten Lebensmittel industriell hergestellt sind, verwundert dann doch.

Sie gehen nur im Bioladen einkaufen? Schön, dann schauen Sie sich einmal die Inhaltsstoffe z. B. bei Gemüsebrühe an.

Bestimmt finden Sie den Hinweis auf „Hefeextrakt“. Das ist ein Geschmacksverstärker, der jedoch nicht als solcher gekennzeichnet sein muss.

Sonst schmeckt die Suppe ja nicht, sagen sogar gelegentlich die Mitarbeiter im Bio-Supermarkt. Woher kommt nun dieser Hefeextrakt? In der Natur kommt er jedenfalls nicht vor. Wer hat’s erfunden? Die Engländer, die ja gemeinhin nicht gerade als Gourmets gelten, haben Hefeextrakt aus Brauerei-Abfällen hergestellt.

Viele Menschen reagieren allergisch auf Hefeextrakt. Da Hefeextrakt ein sogenanntes „Clean-Label-Produkt“ ist, muss es nicht als Zusatzstoff gekennzeichnet werden. Das ist für Allergiker, die viel in Kantinen und Restaurants essen müssen, ein großes Problem. Leider wird Hefeextrakt auch als „natürliches Aroma“ ausgewiesen.

Geldfälscher werden bestraft – Essensfälscher nicht.

Am 7. März ist der „Tag der gesunden Ernährung“. Das könnte doch ein guter Grund sein, um selbst mal wieder aus richtigen Lebensmitteln etwas zu kochen.

Vorsicht ist beim Einkauf geboten. Ob Klebefleisch, Analogkäse oder gar Würstchen aus Leuchtkrebsen, es wird gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen.

Lecker auch das vom Aventis-Konzern patentierte Rezept, mit dem sich Bakterien zu Kaffeesahne oder Schmelzkäse verarbeiten lassen. General Foods hat einen Kunstspeck aus Wasser, Fett und Proteinen hergestellt. Und die amerikanische Firma Athlon hat gar ein Patent auf die trickreiche Verwandlung von Vogelfedern in einen Nahrungszusatz zu Konfekt und Backwaren.

Na dann.  Wohl bekomm’s!

Die Suppe lügt

Die schöne neue Welt des Essens

von Hans-Ulrich Grimm

Hardcover, Droemer HC
03.03.2014, 320 S.
ISBN: 978-3-426-27631-0
Diese Ausgabe ist lieferbar

18,00,  E-Book (€15,99)

 

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