DIE ZEIT und ZDF: Mehrheit der G-10-Kommission zweifelt an rechtlichen Grundlagen der BND-Auslandsüberwachung

 

Richter prüfen Anträge für Telekommunikationsüberwachungen nur unzureichend

Eine Mehrheit der Mitglieder der G-10-Kontrollkommission des Bundestages hegt Zweifel an der gesetzlichen Grundlage, auf welcher der Bundesnachrichtendienst (BND) Telekommunikationsverkehre von Nicht-Deutschen im Ausland überwacht. Deutsche Richter prüfen derweil nur in Ausnahmefällen, ob Anträge von Polizei oder Staatsanwaltschaften auf die Überwachung der Telekommunikation von Verdächtigen angemessen sind. Das haben gemeinsame Recherchen von ZDF und der Wochenzeitung DIE ZEIT ergeben.

In der kommenden Woche widmen sich DIE ZEIT und das ZDF mit verschiedenen Beiträgen gemeinsam den Themen Datenschutz und staatliche Ausspähung: das ZDF in seinem Programmschwerpunkt „Im Visier der Datenjäger“ mit der zweiteiligen Dokumentation „Verschwörung gegen die Freiheit“ am Dienstag, 27. Mai 2014, 20.15 Uhr, und am Mittwoch, 28. Mai 2014, 22.45 Uhr, Die ZEIT in ihrer Ausgabe vom 28. Mai. Die beiden Redaktionen haben für ihre Berichte teilweise gemeinsam recherchiert.

Mit Blick auf den BND sagte Wolfgang Wieland, Mitglied der G-10-Kommission und ehemaliger grüner Bundestagsabgeordneter: „Die gesetzliche Differenzierung ‚Deutsch-Ausländer‘ muss fallen.“ Gemäß dem so genannten G-10-Gesetz darf der BND gezielt Telekommunikationsanschlüsse anzapfen, solange es sich um Anschlüsse nicht-deutscher Staatsbürger im Ausland handelt. „Artikel 10, Absatz 1 des Grundgesetzes lautet aber eben nicht: ‚Das Briefgeheimnis sowie das Post-und Fernmeldegeheimnis der Deutschen ist unverletzlich’“, so Wieland.

Ähnlich hatte sich im August 2013 der Frankfurter Richter Bertold Huber geäußert, stellvertretender Vorsitzender der G-10-Kommission. In einem Aufsatz in der „Neue Juristische Wochenschrift“ kam er zu dem Ergebnis, dass Paragraf 5 II 3 des G-10-Gesetzes verfassungswidrig sei, weil er nicht berücksichtige, dass Nicht-Deutsche denselben Grundgesetz-Schutz genießen wie Deutsche.

Die Linken-Politiker Halina Wawzyniak und Ulrich Maurer, gleichfalls Mitglieder der achtköpfigen Kommission, erklärten, dass sie diese Einschätzung Hubers teilen.

Kommissionsmitglied Frank Hofmann, Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter, sagte: „Die Ausführungen meines Kollegen Herrn Huber wirken sehr schlüssig.“ Es sei zu prüfen, ob aus Wissenschaft und/oder Praxis Gegenargumente vorgebracht würden, aber „insgesamt ist es zu begrüßen, dass Herr Huber mit seiner Veröffentlichung den Stein ins Rollen gebracht hat.“

Die G-10-Kommission des Bundestages entscheidet über Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher Einschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses durch die Nachrichtendienste des Bundes. Sie besteht aus vier Mitgliedern und vier stellvertretenden Mitgliedern.

Deutsche Richter prüfen derweil nur in Ausnahmefällen, ob die Anträge zur polizeilichen Telekommunikationsüberwachung gerechtfertigt sind. „Dass der Richter in irgendeiner Form wirksam nachgeprüft hätte, war in nahezu keinem Fall erkennbar“, so Professor Gusy, Rechtswissenschaftler an der Universität Bielefeld. Er bekräftigt die Ergebnisse einer Studie, die er vor einigen Jahren durchgeführt hatte. Nach dieser übernehmen Richter in über 90 Prozent der Fälle die Antragstexte der Staatsanwaltschaft. Anders als gesetzlich vorgeschrieben werden weniger als drei Prozent der überwachten Personen nach Abschluss der Maßnahme von dem Grundrechtseingriff benachrichtigt. Daran, so Gusy im ZDF, habe sich nichts geändert: „Das Grundrecht steht im Grundgesetz, aber sein Schutz läuft weitgehend leer.“ 

Mehrere ehemalige Richter bestätigen, dass die Anträge meist durch gewunken werden. Der Jurist Dierk Helmken glaubt, dass so mancher Richter die Überwachungsanträge als lästige Pflicht abtut: „Wenn er nicht unterschreibt, hat er viel Arbeit. Er muss die ganze Akte durchlesen. Er muss Abwägungsprozesse durchführen, und er riskiert möglicherweise auch das Wohlwollen all der Leute, mit denen er zusammenarbeitet.“

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