STREIT. Eine Annäherung

Museum für Kommunikation Berlin

LIEBE tut weh „Silent Dialogues, Brague & Magnus (Norwegen/Norway)“ von Viktoria Sorochinski © Viktoria Sorochinski

»Ich möchte nicht, dass wir uns streiten.« Wahrscheinlich haben wir alle diesen Satz schon einmal gehört oder gesagt. Streit ist Teil der menschlichen Kommunikation. Er begegnet uns täglich: in den Medien, als Kommentar zu politischen Debatten oder gesellschaftlichen Fragen, im sozialen und privaten Umfeld, in der Familie oder in der Beziehung.

STREIT. Eine Annäherung geht diesen Begegnungen nach. Objekte und Geschichten erzählen vom Streit über Geschmack, Anerkennung, Wiedergutmachung oder Erwartungen – als Teil einer größeren Debatte oder auf ganz persönlicher Ebene.
Dabei ist Streit nichts Schlechtes: Wir haben als demokratische Gemeinschaft die Chance, über gutes, zugewandtes Streiten Verständnis, Austausch und Annäherungen zu ermöglichen. Manchmal ist es weniger das Reden und mehr das Zuhören, was einen Streit zu einer guten Sache werden lässt.

Streit über KUNST

Kunst bereichert unser Leben. Sie kann so vielfältig sein wie die Menschen, die sie schaffen oder betrachten. Dabei gibt es keine klaren Grenzen, die festlegen, was Kunst ist und wer sich als Künstler:in bezeichnen sollte.
So frei die Kunst scheint, so sehr muss sie sich auch dem öffentlichen Urteil stellen: Werden Grenzen des »guten Geschmacks« überschritten? Ist die Kunst gleichbedeutend mit der Person, die sie erschafft? Ist Kunst mitunter sogar strafrechtlich relevant?

Im Dialog über Kunst vereinen sich viele Positionen: emotionale Reaktionen, unterschiedliche Definitionen von Schönheit und persönliche Bewertungen der Künstler:innen selbst.

WAS IST DAS MOTIV?

STREIT ÜBER GESCHMACK


Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Oder doch? Die Kunstbetrachtung ist immer ein persönliches Erleben und Wahrnehmen. Was manche besonders schön finden, kann für andere geschmacklos oder banal sein: »Das könnte ich auch!«
Was siehst Du? Kunstwerk oder Kitsch? Provokation oder Augenweide? Geschmäcker sind von Person zu Person verschieden und tragen damit zu einer vielfältig gestalteten Umwelt bei. Dennoch: Über Kunst lässt sich ganz hervorragend debattieren.

UNTRENNBAR?

KUNST VS KÜNSTLER:IN
Gemälde, Musik, Literatur – all das spricht unseren Sinn für Schönheit, unsere Emotionen oder Sehnsüchte an. Im Vordergrund steht das Werk, das wir losgelöst vom Entstehungskontext betrachten und beurteilen. Doch ist es wirklich so?
Immer häufiger stellt sich die Frage, ob Kunst und Künstler:in voneinander zu trennen sind. Darf ich Bilder von Maler:innen mit problematischer Vergangenheit gut finden? Darf ich Musiker:innen zuhören, die im Privatleben zahlreiche Verfehlungen begehen? Kann ich Bücher lesen, deren Sprache oder Autor:innen Menschen verletzen?

LIEBE tut weh

LIEBE tut weh „Silent Dialogues, Brague & Magnus (Norwegen/Norway)“ von Viktoria Sorochinski
© Viktoria Sorochinski

Liebe ist eine der stärksten Emotionen. Wenn wir lieben, gehen wir feste Verbindungen ein, vertrauen uns anderen Menschen an und öffnen uns. Für die Liebe kämpfen wir besonders leidenschaftlich.
Liebe macht ebenso angreifbar und verletzlich. Im Streit um etwas, was uns lieb ist, wird die Sachebene häufig verlassen. Wir fühlen uns persönlich angegriffen und gekränkt. Verallgemeinerungen, Beschimpfungen und emotionale Verletzungen können folgen.
Doch der Streit ist Teil der Liebe: Wir gehen in die Auseinandersetzung, wenn uns eine Beziehung besonders wichtig ist und uns etwas aufrichtig am Herzen liegt – immer mit dem Willen zur Versöhnung.

WAS SOLL DAS?

STREIT UNTER UNS
Im Laufe unseres Lebens finden wir uns in unterschiedlichen Verbindungen wieder: mit der Familie, dem sozialen Umfeld oder in Liebesbeziehungen. Je näher wir dabei anderen Menschen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann zum Streit kommt.
»Das ist total typisch von Dir!« Im Zwischenmenschlichen werden Meinungsverschiedenheiten schnell emotional, persönlich oder aggressiv. Doch wo Liebe ist, lohnt es sich zu kämpfen. Man hilft sich gegenseitig beim Verstehen, Bewältigen und Lösen von Problemen.

WO KRACHT ES?

GELIEBTE STREIT-ORTE
Ausreden lassen, zuhören, nicht persönlich werden: Es gibt Regeln, die einen Streit besser machen. Aber manchmal spielen nicht nur das Gesagte und eigene Verhalten eine Rolle, sondern auch, wo gestritten wird.
Die Debatte am Esstisch, in der WG oder in der Kneipe, im Internet oder am Telefon und die raue Konkurrenz im Fußballstadion: An manchen Orten kommen wir besser ins Gespräch, konzentrieren uns mehr auf unser Gegenüber oder haben einfach besonders viel Spaß daran, leidenschaftlich für die eigene Sache zu kämpfen.

MACHTfragen

GELDprobleme Streikschild „Wehrt euch!“, Telekom- Gewerkschaft, 2018
© Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Unser gemeinschaftliches Zusammenleben folgt Strukturen und Regeln. Sie organisieren das Miteinander und die Kommunikation. In einer Demokratie werden diese Regeln diskutiert und debattiert, denn: »Eine Demokratie in der nicht gestritten wird, ist keine«, so einst Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Dennoch treten – damals wie heute – Machtgefälle auf. Es gibt Menschen und Organisationen, die den Diskurs stark beeinflussen können und es gibt Menschen, deren Anteil an den öffentlich geführten Debatten teils ungehört oder unsichtbar bleibt. Der demokratische Streit hilft dabei, aufeinander zuzugehen, gegenseitiges Verständnis zu schaffen und Machtgefälle zu überwinden. Mal passiert dies geordnet, mal meinungsstark und engagiert.

WER SPRICHT?

STREITBARE DEMOKRATIEGESCHICHTE(N)
Die Bundesrepublik Deutschland ist als freiheitlich-demokratischer und sozialer Rechtsstaat verfasst. In ihrer (Vor-)Geschichte lassen sich Zeitpunkte finden, die als Meilensteine auf dem Weg in die Demokratie bezeichnet werden können.
Die deutsche Demokratiegeschichte ist aber ebenso streitbar: in den dort verhandelten Themen, in ihren Folgen und in unserer Erinnerungskultur. Der gute Streit darüber, das Miteinander- und nicht Übereinanderreden sowie Konfliktbereitschaft sind die Basis für gesellschaftlichen Wandel.

WER MACHT MEINUNG?

MEDIALE DEBATTEN
Eine stabile Demokratie steht im direkten Zusammenhang mit einer etablierten, seriösen und vielfältigen Medienlandschaft. Verschiedenen Informationen, Nachrichten und Kommentaren werden darin unterschiedlich viel Raum und Zeit eingeräumt.
Was wir lesen, hören oder sehen, gleichen wir mit unseren Erfahrungen und persönlichen Ansichten ab. Wie Nachrichten aufbereitet werden und welche Sprache sie dabei nutzen, beeinflusst aktiv unsere Meinungsbildung – und wie und worüber wir streiten.

GELDprobleme

Über vieles kann man diskutieren, doch bei einer Sache scheint das gegenseitige Verständnis an seine Grenzen zu stoßen: »Bei Geld hört die Freundschaft auf«, besagt ein Sprichwort. Geld ist die treibende Ressource unserer Zeit – und daher Gegenstand grundlegender Auseinandersetzungen.

Fehlt die Ressource Geld oder fühlen wir uns bei deren Verteilung benachteiligt, kommt es zu einem Konflikt: Vor allem Arbeitnehmer:innen führen seit Jahrhunderten einen Kampf für bessere Löhne und mehr Wertschätzung. Das produzierende Gewerbe oder Marketingagenturen nutzen Konflikte, um als »lachende Dritte« zu profitieren.
Über Geld spricht man vielleicht nicht, doch als Anlass für einen handfesten Streit eignet es sich allemal.

WAS WOLLEN WIR?

STREIK UND ARBEITSKAMPF
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts organisieren sich Arbeiter:innen zunehmend in Gewerkschaften, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Es wird immer wieder versucht, den »Arbeitskampf« zu verbieten, doch in Deutschland findet ein Recht auf Streik Einzug ins Grundgesetz – vorausgesetzt, man ist in einer Gewerkschaft. Ein Privileg, für das ebenso gekämpft wird.
Streiks sind mehr als der Ruf nach besserer Bezahlung. Finanzielle und politische Forderungen lassen sich selten trennen und sind Ausdruck des gesellschaftlichen Zeitgeists.

STREIT SELLS?

PROVOKATION, PUBLICITY, PLACEBOS
Jede Publicity ist bekanntlich gute Publicity und wenn zwei sich streiten, freut sich der:die Dritte. Streit kann nicht nur eine Auseinandersetzung, sondern auch profitabel sein.
Egal ob Debatten über Gesundheit, Körper oder Politik: Streit schafft Marktlücken und das passende Placebo wartet schon in den Regalen. Provokante Werbung und Gestaltung sorgen für die nötige Aufmerksamkeit.

https://streit.museumsstiftung.de/

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