Psychologen haben unlängst festgestellt, dass es deutliche Unterschiede beim Aggressionspotential im Straßenverkehr bei den Geschlechtern gibt
Mich wundert, dass das erst unlängst gewesen sein soll. Ist es nicht schon lange bekannt, dass das Aggressionspotential bei Männern höher ist?
Mehr Infografiken finden Sie bei StatistaFrauen verstoßen in absoluten Zahlen seltener gegen Verkehrsregeln als Männer. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des Kraftfahrt-Bundesamts. Am größten ist der Anteil der Frauen noch bei den Delikten Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren und bei Rotlichtverstößen: er liegt hier bei rund einem Drittel. Geschwindigkeitsverstöße machen zahlenmäßig den größten Teil der Ordnungswidrigkeiten aus – diese werden zu etwas mehr als einem Fünftel von Frauen begangen. Von Delikten in Zusammenhang mit Alkohol, Überholen oder Ladungen waren Frauen noch deutlich seltener betroffen.
Die Interpretation der Daten wirft Fragen auf. Verhalten sich Männer im Straßenverkehr risikoreicher und aggressiver? Oder sitzen Männer schlicht öfter am Steuer von Fahrzeugen und begehen deshalb mehr Ordnungswidrigkeiten als Frauen?
Für die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes gilt: Die Zahl der Ordnungswidrigkeiten beziehen sich jeweils auf alle Personen, die am Straßenverkehr teilgenommen haben und damit auch auf alle Fahrerlaubnisklassen plus Rad- und Rollerfahrer oder auch Fußgänger. Der Anteil der Frauen an allen allgemeinen Fahrerlaubnissen liegt am 01. Januar 2021 bei 42,6%. Damit dürfte das Geschlechterverhältnis in der Grundgesamtheit der Verkehrsteilnehmer relativ ausgeglichen sein.
Dies gilt jedoch nicht für alle Führerscheinklassen, wie diese Statista-Grafik zeigt. Bei einzelnen Delikten, die eine bestimmte Fahrzeugkategorie stärker betreffen als andere, dürfte der geringere Frauenanteil Teil der Erklärung dafür sein, warum mehr Männer als Frauen diese Ordnungswidrigkeit begehen. Dies dürfte auf den Fall „Ladung“ zutreffen, von der mehrheitlich Lastkraftwagen betroffen sein dürften. Hier liegt der Anteil der Frauen mit einem entsprechenden Führerschein bei 37 Prozent. Bei Pkw-Fahrerlaubnissen beträgt der Frauenanteil dagegen 52 Prozent.
Gleichwohl muss man über alle Delikte hinweg einen deutlichen Männerüberschuss konstatieren, der sich nicht hinreichend durch einen geringeren Anteil der Frauen bei den jeweiligen Fahrerlaubnisklassen erklären lässt. Nicht zu vernachlässigen dürfte die Vermutung sein, dass in vielen gegengeschlechtlichen Partnerschaften öfter der Mann das Auto fährt und dementsprechend mehr Männer in den Statistiken zur Ordnungswidrigkeit einfließen. Wie oben erwähnt beziehen sich die Daten jedoch auf alle Verkehrsteilnehm:innen, nicht nur auf Pkw-Fahrer:innen. Dafür, dass bei Paaren häufiger der Mann als die Frau am Steuer sitzt, sind dem Autoren zudem bislang nur Indizien bekannt.
Psychologen haben unlängst festgestellt, dass es deutliche Unterschiede beim Aggressionspotential im Straßenverkehr bei den Geschlechtern gibt. So würden Männer weniger regelkonform fahren und würden das Auto auch zu Zwecken der Machtdemonstration und Selbstdarstellung nutzen. Es spricht also einiges dafür, dass der größere Männeranteil bei den Ordnungswidrigkeiten auf ein nicht adäquates Verhalten vieler Männer im Straßenverkehr zurückzuführen ist. Das Aggressionslevel im deutschen Straßenverkehr hat dabei in den vergangenen Jahren insgesamt zugenommen, wie diese Umfrage des TÜV-Verbands veranschaulicht.
von Matthias Janson, 11.08.2022