Berufsvereinigung DAV setzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für Mitglieder um*


– Wie Berufsvereinigungen die Pflichten des AGG für Mitglieder einhalten müssen?“

Ein Beitrag *von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz-und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)
und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de ).

„Wer über die Brücke des Todes will geh ́n, muss dreimal Rede und Antwort steh ́n, dann darf er die and ́re Seite seh ́n.” (Monty Python ́s Ritter der Kokosnuss)

Schon seit 2006 gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), was insbesondere Arbeitgeber sehr vorsichtig gemacht hat. Etwa indem Stellenanzeigen alle inzwischen mindestens drei Geschlechter ausdrücklich mit „m/w/d“ bezeichnen und auch keine Altersvorgaben mehr vorsehen, sowie geschlechtersensible – korrekt gegenderte – Sprache verwenden. Doch haben viele Berufsverbände noch gar nicht erkannt, dass sie gegenüber Mitgliedern und Bewerbern um Mitgliedschaft noch weitere Pflichten aus dem AGG haben, und diese korrespondierend Rechte, analog wie bei Arbeitnehmern.


Auch Mitglieder von Berufsvereinigungen sind durch das AGG geschützt

Abschnitt 2 des AGG “Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung” wird durch § 18 AGG auf die Mitgliedschaft in – nicht nur – Berufsvereinigungen ausgedehnt:

„(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten entsprechend für die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer … Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören oder die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehat, wenn ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht, sowie deren jeweiligen Zusammenschlüssen.

(2) Wenn die Ablehnung einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 darstellt, besteht ein Anspruch auf Mitgliedschaft oder Mitwirkung in den in Absatz 1 genannten Vereinigungen.“

Unter solche Berufsvereinigung können etwa Mitglieder von Berufskammern und -Vereinen, Gewerbevereinen und auch selbstständige Berufs-Sportler in entsprechenden Vereinen fallen.

Dann also darf entsprechend § 7 AGG kein Mitglied wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes in der Vereinigung benachteiligt werden. Dies beinhaltet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.


In § 2 AGG ausdrücklich genannt wird zu diesen Gründen das Verbot von Benachteiligungen in Bezug auf “die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,”


Auch mittelbare Benachteiligungen sind verboten

Unmittelbar benachteiligt wird, wer wegen eines dieser Gründe eine ungünstigere Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.

Doch auch mittelbare – also durch dem Schein nach neutrale Kriterien bewirkte – Benachteiligungen aus einem dieser Gründe sind unzulässig. Etwa wenn ausdrücklich auf eine bestimmte Muttersprache abgestellt wird, statt nur auf die tatsächlich erforderlichen ausreichenden Sprachkenntnisse, oder eine Mindestgröße verlangt wird, die in der Mehrheit von Frauen unterschritten wird.

Ist die unterschiedliche Behandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, so liegt keine unzulässige Benachteiligung vor. Etwa der Ausschluss von Ruheständlern – mittelbare Altersbenachteiligung – aus Gremien der Berufsvereinigung, um deren Kontakt mit den Berufstätigen sicherzustellen.

Eine Ungleichbehandlung als positive Maßnahme zum Ausgleich bestehender Nachteile ist indes erlaubt – z.B. Frauenförderung, soweit diese sonst benachteiligt wären. Was bei manchen Berufen mit hohem Frauenanteil aber auch nicht gegeben sein mag.

Die Vereinsautonomie wird unter den Voraussetzungen des AGG beschränkt. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam – das kann etwa auch die Vereinssatzung betreffen. Auch eine Mehrheit von Mitgliedern kann sie nicht wirksam beschließen – und ein Vereinsvorstand sich nicht auf solche Mehrheitsbeschlüsse berufen.


Berufsvereinigungen müssen Regelungen wie für Arbeitgeber entsprechend einhalten

Betroffen ist hier entsprechend § 11 AGG neben der Aufnahme als Vereinsmitglied oder für eine vorgelagerte Ausbildung, die Ausschreibung für die Mitarbeit in Vereins-Organen, Gremien, Ausschüssen, Arbeitsgruppen etc. Bereits eine nicht alle mindestens drei “amtlichen” Geschlechter umfassende Bezeichnung der Adressaten – etwa nur “Ingenieurinnen und Ingenieure” oder gar nur “Ingenieure” ohne Klarstellung “m/w/d”, “all gender” oder mit Genderstern ist ein Gesetzesverstoß und damit derzeit verboten. Ebenso nicht gerechtfertigte Altersbegrenzungen, Anforderungen an Berufserfahrung oder Ausschreibungen nur für Berufsanfänger ohne zwingende Gründe.

Die Berufsvereinigung ist entsprechend § 12 AGG verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen, inklusive vorbeugender Maßnahmen. Dazu muß sie etwa im Rahmen einer Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen – und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Zur Erfüllung dieser Pflicht kann der Vorstand auch die Mitglieder in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung schulen.

Verstoßen Mitglieder gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Vorstand die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung oder Vereinsausschluss zu ergreifen.


Berufsvereinigungen müssen eine Beschwerdestelle für Mitglieder einrichten

Die Mitglieder haben das Recht, sich bei der gemäß § 13 AGG zuständigen Stelle der Berufsvereinigung zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft von dieser – oder anderen Mitgliedern – wegen eines der genannten Gründe benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist von der zuständigen Beschwerdestelle der Berufsvereinigung zu prüfen und das Ergebnis dem beschwerdeführenden Mitglied mitzuteilen.

Das AGG sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden zuständige Stelle sind in der Berufsvereinigung bekannt zu machen, etwa durch Einsatz der in der Berufsvereinigung üblichen Informations- und Kommunikationstechnik.

Die Berufsvereinigung darf Mitglieder – und ihre Beschäftigten – nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach AGG oder wegen der Weigerung, eine gegen diese Bestimmungen verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen, auch nicht, wer Benachteiligte hierbei unterstützt oder zum Zeugnis aussagt.


DAV führt Beschwerdestelle gemäß AGG ein

Dies ist umso bedenklicher, als sich daraus wegen möglicher Schadenersatzforderungen aus Nichtumsetzung des AGG auch eine Haftung von Vorständen der Berufsvereinigung ergeben kann, die auch dessen Entlastung verhindern könnten. Die DAV hat daher Anfang 2024 mit Hilfe einer auf das AGG spezialisierten Anwaltskanzlei und Wirtschaftsprüfern prüfen lassen, ob für mögliche Schadenersatzforderungen aus der Zeit vor korrekter Umsetzung des AGG Rückstellungen zu bilden sind.

Auf ihrer Seite www.aktuar.de befindet sich leicht zu finden nach Herunterscrollen ganz unten noch vor Impressum und Datenschutzhinweisen ein Link auf “Beschwerdestelle”– dort wird unter anderem darauf hingewiesen:

„Mit dem im Jahr 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sollen Benachteiligungen aus Gründen

  • der Rasse und der ethnischen Herkunft,
  • des Geschlechts,
  • der Religion und der Weltanschauung,
  • einer Behinderung,
  • des Alters oder
  •  der sexuellen Identität

verhindert bzw. beseitigt werden. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich auch das Beschwerderecht von Mitgliedern einer berufsständischen Vereinigung (§ 18 AGG) festgeschrieben.“ Folglich ist § 18 iVm § 13 AGG so zu verstehen, dass die Mitglieder von DAV und IVS (Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen) ebenso wie auch deren angehende Mitglieder das Recht haben, sich bei der zuständigen Stelle des Vereins zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft oder ihrer Mitwirkung von Vorschriften der DAV, deren Vertretern oder anderen Mitgliedern wegen eines der oben genannten Gründe benachteiligt fühlen. … Der Vorstand der DAV hat mit Wirkung zum 15. März 2024 Herrn Dr. Michael Renz, den früheren Vorsitzenden des Vorstands der DAV, zum ehrenamtlich tätigen Beschwerdebeauftragten der Vereinigung ernannt.

Er kann von jedem Mitglied unter beschwerdestelle@aktuar.de kontaktiert werden und bietet auch eine vertrauliche Beratung an. Mit Ihrer Zustimmung können dann weitere Schritte zur Konfliktlösung bzw. zur Entscheidung über die Beschwerde und anschließende Maßnahmen eingeleitet werden. Ihre Angaben werden vertraulich behandelt. …

Die konkrete Ausgestaltung des Beschwerdeprozesses sieht wie folgt aus:

  •   Der Beschwerdebeauftragte Dr. Michael Renz nimmt Ihre Fragen oder Ihre Beschwerde über die genannte Emailadresse entgegen. Es wird volle Vertraulichkeit gewahrt, außer Herrn Dr. Renz erfährt zunächst niemand von Ihren Fragen bzw. der Bitte um Beratung.
  •   Sofern Beschwerde eingelegt wird, erfolgt die Sachverhaltsermittlung in der Vereinigung. Hierzu wird der Beschwerdebeauftragte die betroffenen Parteien – neben dem beschwerdeführenden Mitglied z.B. ein anderes Mitglied oder die Mitwirkenden eines betroffenen Gremiums der DAV – anhören. Die DAV ist verpflichtet, hierzu alle der Sachverhaltsaufklärung dienenden Mittel zur Verfügung zu stellen.
  •   Anschließend wird der Beschwerdebeauftragte prüfen, ob mit dem ermittelten Sachverhalt ein Verstoß gegen das AGG und hier vor allem § 1 AGG vorliegt. Hierzu kann er bei Bedarf über die Geschäftsstelle juristische Unterstützung anfordern.
  •   Das Ergebnis der Prüfung einer Beschwerde legt der Beschwerdebeauftragte dem engeren Vorstand der DAV vor.
  •   Das Ergebnis der Prüfung wird Ihnen als beschwerdeführendem Mitglied vom Beschwerdebeauftragten mitgeteilt und insbesondere bei Zurückweisung der Beschwerde kurz begründet. Dies wird zügig in angemessener Zeit nach Eingang der Beschwerde erfolgen.
  •   Der (engere) Vorstand ist im Fall einer gerechtfertigten Beschwerde verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die nachgewiesene Benachteiligung / Diskriminierung für die Zukunft unterbinden. Hierzu kann auch die Aufforderung an den Ausschuss für berufsständische Fragen gehören, ein Disziplinarverfahren gegen involvierte Mitglieder
    einzuleiten (Art. 2 Prinzipien der Berufsausübung sowie Art. 6 Kollegialität, DAV-Standesregeln).“

Damit ist die aus dem AGG sich ergebende Verpflichtung der Berufsvereinigung, auch eine Beschwerdestelle zum Schutz der Mitglieder einzurichten, nun erstmals vorbildlich umgesetzt. Die meisten anderen Berufsvereinigungen scheinen diese Verpflichtung womöglich nicht einmal erkannt zu haben. Soweit die Berufsvereinigung entsprechend § 12 AGG ihre Verpflichtung, auch vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen, nicht erfüllt hat, mag dies allerdings “strafmindernd” wirken. Etwa wenn sie nicht durch Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweist und nicht auf deren Unterlassung hinwirkt, auch indem die Mitglieder geeignet für die Verhinderung von Benachteiligung geschult werden.


Arbeitgeber müssen Beschäftigte auch bei dienstlicher Tätigkeit in Berufsvereinigung schützen

  1. Viele Mitglieder in Berufsvereinigungen – etwa bei ärztlichen und rechtsanwaltlichen Berufen – sind bei anderen Arbeitgebern beschäftigt. Üben sie dann eine Tätigkeit für ihren Arbeitgeber in der Berufsvereinigung aus – etwa durch Fortbildung oder Interessenvertretung – so sind sie dabei auch durch ihren Arbeitgeber vor Benachteiligung zu schützen. Erkennbar kann dies daran sein, dass der Arbeitgeber die Tätigkeit in der Berufsvereinigung als Dienstreise behandelt und als Arbeitszeit bezahlt. Oder dienstliche Vorschriften etwa zur Arbeitszeit darauf erstreckt, die für rein private Tätigkeiten so nicht angeordnet werden könnten. Was er indes vermeiden kann, indem er genau dies alles unterlässt und den rein privaten Charakter der Tätigkeit in der Berufsvereinigung hervorhebt, etwa durch ausdrückliche Freistellung oder Beurlaubung dafür. “Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.” So schreibt es § 12 Abs. 4 AGG auch bei Berufsvereinigungen

als “Dritte” vor. Der Beschäftigte kann sich über eine nach AGG verbotene Benachteiligung durch die Berufsvereinigung dann auch bei der vom Arbeitgeber einzurichtenden Stelle beschweren, die dann prüfen und das Ergebnis mitteilen muss. Arbeitgeber müssen dann begründeten Beschwerden abhelfen, etwa durch Abmahnung der Berufsvereinigung bis zur Einstellung der Zusammenarbeit mit ihr.


Benachteiligungen werden aufwendig und teuer

Das AGG sieht bei Benachteiligungen nach nur Beweis eines Indizes die Umkehr der Beweislast vor – diese dann zu erfüllen ist fast unmöglich. Dies kann dann wegen Schadenersatz und “Schmerzensgeld” sehr teuer werden, abgesehen von dem Prestigeverlust. Aber auch die Besetzung von Gremien und Ausschüssen und damit die Arbeit einer Berufsvereinigung kann behindert werden, wenn diese wegen Benachteiligung nach AGG angefochten wird. Umso wichtiger ist, dass Berufsvereinigungen ihre Pflichten nach AGG genau kennen und ihnen nachkommen, dabei bereits jedes auch nur Indiz einer Benachteiligung vermeiden. Ferner aber auch alle internen Verfahren AGG- konform ausgestalten, darin schulen und ihre Umsetzung zur Beweissicherung genau dokumentieren.

Schließlich kann nicht nur Schadensersatz drohen. Zusätzlich kann allein wegen Arbeitnehmerdiskriminierung eine Entschädigung (also ein Schmerzensgeld) bereits bis zu einem Jahresbruttolohn betragen.
Wer etwa auf eine Benachteiligung in einer Fortbildung reagierte, indem er nicht mehr hinging, könnte das entgangene Gehalt wegen Verzögerung des Aktuars-Abschlusses verlangen. Ist er wegen Traumatisierung berufsunfähig, ggf. noch mehr.

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