Die verheerende Macht der Vorurteile
Ich muss gestehen, dass ich ein Fan des Autors Jens Förster und seiner Bücher bin. Dies zu Anfang, damit Sie wissen, wie Sie meine Buchbesprechung einordnen können. Ich mag den Schreibstil von Jens Förster, der auch immer wieder unterhaltsame Elemente bei sehr ernsten Themen einbringt. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber schon in der Einleitung habe ich mich vor Lachen gekrümmt.
Wie der Titel schon sagt, es geht um Vorurteile
Viele Menschen denken, dass sie gar keine Vorurteile haben. Weit gefehlt!
Wir sind uns oft gar nicht bewusst, dass wir vorschnell einen Menschen und sein Verhalten ruck zuck in eine Schublade gepackt haben. Meist kommt dann dieser Mensch aus unserer Wahrnehmungs-Schublade nicht mehr heraus.
Was ist das eigentlich, dieses Schubladen-Denken? Es handelt sich eindeutig um Diskriminierung, auch wenn Schubladen-Denken viel netter klingt.
Folgendes wird viele Eltern freuen
Im Unterschied zu den Psychoanalytikern Freud und Fromm sind nicht nur die Eltern, sondern auch die Peergroup in der Pubertät für unerwünschte Verhaltensweisen wie Rechtsautoritarismus mitverantwortlich, so argumentiert Martin *Altemayer. Dieser könne unter Stresssituationen wie Arbeitslosigkeit oder Tod eines Angehörigen sogar die Geburt eines Kindes zur völligen Überforderung führen. Studien belegen, dass faschistisches Verhalten oder Abwertung anderer im Umgang mit Stress eine erfolgreiche Strategie sein kann.
Es ist nicht verwunderlich, dass wir es aktuell mit einer großen Anzahl von Vorurteilen zu tun haben, denn die Pandemie erzeugt bei sehr vielen Menschen Stress. Wir in der westlichen Welt sind es nicht gewohnt, mit großen Unsicherheiten zu leben. Das ist auch eine mögliche Erklärung dafür, dass gerade in den Bundesländern der ehemaligen DDR der Rechtspopulismus so viel Zuspruch findet. Zu DDR-Zeiten wurde das Sicherheitsbedürfnis zu einem hohen Maße befriedigt. Wer nicht gegen das System rebellierte, konnte sich in Sicherheit wiegen.
Ein massives Vorurteil gibt es nach wie vor gegen Geflüchtete, auch wenn dies coronabedingt in den Hintergrund gerückt ist. Dafür erhitzen sich die Gemüter an der Frauenquote für Vorstandsposten. Diese Diskriminierung reicht bis weit in die politischen Kreise hinein. Offensichtlich erzeugt die Frauenquote Stress, vor allem bei Männern, die um ihre Macht fürchten.
Altersbilder auf dem Prüfstand
Für die älteren Leser:innen empfehle ich den Abschnitt auf Seite 125/126. „Alt und aufmüpfig? Nur, wenn Sie dement sind, dürfen Sie widerspenstig sein“. Dann allerdings müssen Sie befürchten, dass man Sie wegsperrt. Von älteren Menschen erwartet die Gesellschaft Anpassung.
Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Aha-Erlebnisse bei der Lektüre des Buches.
Jens Förster
Jens Förster lehrte 16 Jahre lang als Professor für Psychologie an den Universitäten Bremen, Amsterdam und Bochum. 2017 hat er das Systemische Institut für Positive Psychologie in Köln mitgegründet, wo er neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit als Systemischer Berater und Therapeut arbeitet. Er ist Autor mehrerer Bücher, u.a. „Was das Haben mit dem Sein macht“ und „Der kleine Krisenkiller“ sowie der ZEIT-Akademie „Psychologie“. Jens Förster gilt als „einer der international einflussreichsten Psychologen seiner Generation« (Deutsche Gesellschaft für Psychologie).
Verlag: Droemer HC Erscheinungstermin: 01.09.2020, 272 Seiten ISBN: 978-3-426-27790-4