Tweetup in der Republik des Glücks

Am 18. Februar 2014 wurde im Thalia Theater in Hamburg das Stück „In der Republik des Glücks“ von Martin Crimp aufgeführt. Gleichzeitig war es ein Experiment, das die Zuschauer ausdrücklich aufforderte, während der Aufführung zu twittern.

Das Thalia Theater in der Gaußstraße war das einzige deutsche Sprechtheater, das zu einem Tweetup während der internationalen Social Media Week aufgerufen hat.  (Für nicht Nerds: Tweetup = Twittermassenveranstaltung).

Es mutete schon etwas seltsam an, dass links von mir nicht nur ein aufgeklapptes Laptop saß, sondern auch ein Zuschauer. Und wiederum links davon saß ein aufgeklapptes iPad mit Frau. Der Herr rechts neben mir wandte mir leicht den Rücken zu. Ich fürchte, ihn haben das Gedaddel und die hellen Bildschirme irritiert oder gar gestört. Letzteres kann ich gut nachvollziehen, obwohl ich selbst über mein iPhone auch am Tweetup teilgenommen habe.

Ich erinnere mich jedoch noch genau an „Ein Traum vom Glück“, das in der Semper Oper in Dresden im Juni 2012 aufgeführt wurde. Um mich herum eine Horde junger Leute, die fast alle an ihren Smartphones daddelden. Ich hatte zeitweise richtig Mühe der Aufführung auf der Bühne zu folgen, obwohl ich regelrecht von der Darbietung fasziniert war. Damals war es nicht vorgesehen, dass Zuschauer während der Vorstellung an ihren Smartphones hängen, anstatt der Aufführung ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Zwischendurch verspürte ich gar einen Impuls, auf die Bühne rennen zu wollen und laut STOPP zu rufen und die Aufführung für einen kurzen Moment anzuhalten, um ins Publikum zu schreien: „Handys ausschalten“!

Aber zurück nach Hamburg in die Republik des Glücks. Damit konnte nun wirklich nicht Deutschland gemeint sein. Denn Platz 26 im World Happiness Report der UN ist keineswegs Ausdruck einer glücklichen Gesellschaft.

Der britische Dramatiker Martin Crimp führt den Zuschauern in drei Szenarien des Glücks eine scheinbar heile Familie vor.

3 Generationen beim Familienessen „glücklcih“ vereint

3 Generationen sitzen glücklich vereint zu einer Feier am Esstisch. Das Ungewöhnliche: Sie sitzen in einem Glaskasten. Doch das scheinbare Familienglück löst sich nach und nach unter Blicken der Zuschauer auf.

Acht beziehungslos gewordene Figuren überschütten ihre Umwelt mit egozentrischen Statements, deren Inhalt die unterschiedlichsten Süchte erahnen lassen. Und während es auf der Bühne mit viel Getöse auch um Kontroll- und Konsumsucht geht, hängt der eine oder andere Zuschauer an seinem Smartphone, iPad oder Laptop und twittert fröhlich – oft Belangloses und für die Follower draußen kaum Nachvollziehbares – in die Welt hinaus. Während auf der Bühne das Suchtverhalten erkennbar war, bemerkten nicht alle twitternden Zuschauer, dass sie selbst Teil dieser Sucht wurden.

 Nach der Vorstellung wird man Leute sagen hören, dass sie durch das Twittern viel konzentrierter gewesen seien, als sonst im Theater, wo die eigenen Gedanken sich gelegentlich auch mal Bahn brechen. Andere wiederum fanden es anstrengend. Multitasking funktionierte wieder einmal nicht.

Diskussion mit den Schauspielern und der Dramaturgin nach der Vorstellung

Auch ich muss gestehen, dass ich leider ab und an durch mein „Gezwitschere“ für einen Moment den Bezug zum Stück verloren habe. Gerne würde ich mir Anfang März die Aufführung noch einmal in der guten alten Weise – ohne Tweetup – ansehen.

Insgesamt darf man sagen, dass sich das Thalia Theater den Herausforderungen des „digitalen Zeitalters“ bravourös gestellt hat.

Die Kommentare während der anschließenden Diskussion mit den Schauspielern und der Dramaturgin Natalie Lazar, die den Abend moderierte, oszillierten zwischen „mutig, erfrischend, netter Marketinggag und – beim nächsten Mal lieber ohne neue Medien“.

Ria Hinken

In der Republik des Glücks

von Martin Crimp
Songs von Roald Van Oosten
Deutsch von Ulrike Syha

Thalia in der Gaußstraße

Regie Anne Lenk Bühne Judith Oswald Kostüme Silja Landsberg Musikalische Leitung Laurenz Wannenmacher Klanggestaltung Wolfgang von Henko Dramaturgie Natalie Lazar
Ensemble Tilo Werner (Granddad), Oda Thormeyer (Granny), Hans Löw (Dad), Christina Geiße (Mum), Maria Magdalena Wardzinska (Debbi), Alicia Aumüller (Hazel), Cathérine Seifert (Madeleine), Daniel Lommatzsch (Onkel Bob)

 

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