Von bio bis konventionell: In allen Haltungsformen leiden Nutztiere unter Krankheiten – foodwatch fordert Gesundheitsindex für Tierhaltungsbetriebe

Warum alle Haltungsformen Nutztiere krank machen und wie sich das ändern lässt

Grafik: foodwatch

+++ foodwatch-Report „Tierleid im Einkaufskorb: Warum alle Haltungsformen Nutztiere krank machen und wie sich das ändern lässt“:  https://t1p.de/Tiergesundheit-Report +++

Berlin, 17. Januar 2023.  Millionen Nutztiere leiden massiv unter Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen. Ob die Tiere auf einem Bio-Hof oder in einem konventionellen Betrieb gehalten werden, spielt dabei kaum eine Rolle. Das belegt eine systematische Auswertung tiermedizinischer Studien durch foodwatch. Die Verbraucherorganisation forderte Bundesagrarminister Cem Özdemir auf, Maßnahmen für mehr Tiergesundheit zu ergreifen, – wie im Koalitionsvertrag versprochen. foodwatch legte dazu in dem Report „Tierleid im Einkaufskorb“ einen konkreten Leitfaden vor: Krankheiten und Verletzungen von Kühen, Schweinen und Hühnern müssten auf jedem Hof erfasst werden und die Ergebnisse in Form eines Gesundheitsindexes veröffentlicht werden. Betriebe mit guten Gesundheitsdaten müssten belohnt, solche, die schlecht abschneiden, entsprechend sanktioniert werden, so foodwatch. 

„Die Debatte um Tiergesundheit erinnert an die Klimakrise: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig, werden aber politisch ignoriert. Wir reden immer nur über Haltungslabel oder Stallumbauten, dabei zeigen Studien ganz klar: Kranke und verletzte Tiere gibt es auf kleinen Bio-Höfen genauso wie in großen Tierfabriken. Denn ob Hühner, Schweine oder Kühe gesund sind, hängt nicht einfach davon ab, ob der Stall ein paar Zentimeter größer ist oder Stroh auf dem Boden liegt, sondern ganz entscheidend auch vom Stallmanagement der Landwirt:innen. Das Problem ist: Es gibt bisher keinerlei gesetzliche Vorgaben für Tierhalter:innen, dass sie ihre Tiere gesund halten müssen – weder in der ökologischen noch in der konventionellen Haltung“, sagte Annemarie Botzki von foodwatch. Die vom Bundeslandwirtschaftsminister geplante Tierhaltungskennzeichnung sei daher nicht die Lösung. Denn das Siegel informiere lediglich über Unterschiede in der Haltungsform – nicht aber über den Gesundheitszustand der Tiere. „Cem Özdemirs Label ändert nichts an dem millionenfachen Leid in deutschen Ställen“, kritisierte Annemarie Botzki.

Gemeinsam mit Tiermediziner:innen hat foodwatch systematisch wissenschaftliche Studien zur Nutztierhaltung ausgewertet – mit klarem Ergebnis: In allen Haltungsstufen gibt es zum Teil gravierende Probleme. So zeigen Schlachthofbefunde beispielsweise, dass knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse haben – in der Bio-Haltung sind es mit 35 Prozent laut einer Studie kaum weniger. Bis zu 39 Prozent aller Milchkühe leiden an schmerzhaften Erkrankungen der Klauen. Bei jeder zweiten Milchkuh in einem Bio-Stall wurden Euterentzündungen festgestellt. In der Legehennenhaltung weisen bis zu 97 Prozent aller Hühner Knochenbrüche auf – in Käfighaltung ebenso wie in Bio-Haltung. Eier, Milch und Fleisch dieser kranken Tiere landeten dennoch massenhaft im Supermarkt, ohne dass Verbraucher:innen dies erkennen könnten, kritisierte foodwatch. 

Prof. Dr. Albert Sundrum, ehemaliger Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel erklärte: „Nutztierhaltung ist komplex und anspruchsvoll. Viele landwirtschaftliche Betriebe haben das Gesundheitsmanagement gut im Griff, während andere immer wieder Probleme mit kranken und verletzten Tieren haben – und zwar unabhängig von der Haltungsform oder der Betriebsgröße. Gesundheitsdaten müssen daher für jeden einzelnen Betrieb systematisch erfasst, ausgewertet und veröffentlicht werden.“

Konkret schlägt der foodwatch-Leitfaden drei Schritte zu mehr Tiergesundheit vor:

1. Der Gesundheitszustand von Nutztieren muss für jeden Betrieb systematisch erfasst werden. Dafür können auch Daten verwendet werden, die bereits heute erhoben werden, zum Beispiel in Schlachthöfen.

2. Auf Basis der erhobenen Daten muss ein überbetrieblicher Gesundheitsindex eingeführt werden, mit dem verglichen werden kann: Welche Betriebe schneiden gut ab? Welche Betriebe haben immer wieder Probleme mit kranken Tieren?

3. Betriebe mit mangelhafter Tiergesundheit müssen beraten und zu Verbesserungen aufgefordert werden. Für Betriebe mit wiederholt schlechten Ergebnissen muss es Konsequenzen geben, etwa die Kürzung von Agrarsubventionen oder, als letztes Mittel, ein Tierhaltungsverbot. Landwirt:innen, die gut abschneiden, müssen hingegen belohnt werden. Sie könnten zum Beispiel von Molkereien und Schlachthöfen höhere Preise ausgezahlt bekommen.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, eine „Tiergesundheitsstrategie“ zu erarbeiten. Genaue Pläne wurden bisher jedoch nicht öffentlich.

Quellen und weiterführende Informationen: 

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