Rezension von Dr. Artur Hornung am 19.3.2019
Dieses Buch nicht zu lesen schadet der Gesundheit!
Fazit 1: Wenn dieses Buch nicht gelesen wird, schadet dies der Gesundheit – unserer Kinder!
Es ist schon erstaunlich, dass Manfred Spitzer immer wieder so intensive und teils kontroverse Diskussionen mit seinen Büchern auslöst. Auch wenn er seit Jahren, konsequent und wissenschaftlich begründet, auf die Nebenwirkungen digitaler Entwicklungen – insbesondere auf Gehirne in der Entwicklung – hinweist, gibt es immer noch viele Kritiker, die seine Bücher möglicherweise nie zu Ende gelesen haben und dennoch vehement seine meist zutreffenden Schlussfolgerungen „bekriegen“.
Das hat dieses Buch nicht verdient. Es sollte gelesen und beachtet werden, denn alle behandelten Themen rund um die „Smartphone-Epidemie“ sind von so hoher gesellschaftlicher Bedeutung, dass eine emotionale „Schlacht“ um die Frage, wer denn Recht habe, völlig unangemessen ist.
Zum Aufbau und zum Inhalt:
Es wäre hilfreich, wenn den Lesewilligen schnell klar würde, dass es nicht erforderlich ist, von Seite 7 bis Seite 323 das Buch an einem Stück durchzulesen, um relevante oder besonders wachrüttelnde Botschaften zu verinnerlichen. Die Themen sind bekannt, die Auswirkungen aber zum Teil noch nicht absehbar oder aber durch Langzeitstudien der Zusammenhang (noch) nicht eindeutig bewiesen: körperliche Auswirkungen (Kurzsichtigkeit, Denkstörungen), seelische Auswirkungen (Einsamkeit, Depression), Naturentwöhnung…
Es wäre zu empfehlen, an den Kapiteln einzusteigen, die (nach vorn) geneigte Leserinnen und Leser besonders betreffen, z. B. „Eltern und Smartphones“, „Sag mir, wo die Blumen sind“ oder „Digitalisierung mit Angst“. Aus den drei genannten Kapiteln ist gut heraus zu lesen, wie wichtig positive, kanalisierende, Vorbild-gebende erwachsene und reflektierende Menschen sind. Die eigenen Möglichkeiten der Einflussnahme, z. B. durch alternative Betätigungsangebote für Kinder und Jugendliche (Natur, Bewegung), ließen sich für Eltern oder Lehrer daraus ableiten.
Diese Ableitungen und Empfehlungen für den Alltag fehlen nach den wissenschaftlich belegten „Aufklärungen“. Auch wäre es vielleicht wirkungsvoller angekommen, wenn aus den Defiziten Wünsche an Eltern, Lehrer, Politiker und andere Gestalter abgeleitet und zu Papier gebracht worden wären. Dies hätte die Diskussion um mögliche und notwendige Gegensteuerungen auf einen konstruktiven Diskurs bringen können!
Zu den „Halten wir fest“-Zusammenfassungen:
Die umfangreichen Ausführungen zu jedem Kapitel – mit sehr zahlreichen Quellen-Hinweisen und Fußnoten – werden vom Autor mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, die gut auf den Punkt bringt, worum es ihm in diesem Kapitel besonders ging. Während jedoch die Überschriften der Zwischenkapitel in sattem GROSSBUCHSTABEN-FETTDRUCK geschrieben sind, werden die „Halten wir fest“-Zusammenfassungen nur sanft kursiv gedruckt eingeleitet.
Zur Lesefreundlichkeit und zur Wissenschaftlichkeit:
Auch für wissenschaftlich geprägte Leserinnen und Leser ist es oft mühsam, die alltagspraktischen und individuell besonders wichtigen Erkenntnisse klar zu erhalten – und dies nach Möglichkeit auch ohne Quell-Literatur-Studium.
Denn nach den 322 Seiten (mit Fußnoten bereichertem) Fließtext folgen dann satte 46 Seiten Quellen-Literatur-Hinweise. Zum ersten Kapitel gibt es allein schon reichliche 78 Quellen – 73 in englischer und nur fünf in deutscher Sprache – drei davon sind frühere Buchtitel von Manfred Spitzer!
Die Wissenschaftlichkeit in Ehren – aber welcher Verantwortung tragende gesellschaftliche Beeinflusser liest von all diesen Quellen auch nur eine Handvoll?
Fazit 2: Wer dieses Buch gelesen hat, sollte es auch zum Lesen weiterempfehlen!
Wer es geschafft hat, mit Wachheit für die individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen und mit Toleranz gegenüber wissenschaftlicher Akribie dieses Buch zu Ende zu lesen, wird hoffentlich zu dem Schluss kommen, dass es vielen Diskutierenden zum Thema DIGITALISIERUNG gut täte, sich mit den offensichtlichen Nebenwirkungen der Entwicklung vertieft auseinander zu setzen.
Spitzer ist ein ›Psychiater zum Anfassen‹ Er verspürt einen Auftrag. Er versteht sich nicht nur als Wissenschaftler, sondern in erster Linie als Arzt, der helfen will.« Deutsches Ärzteblatt
Anmerkung der Redaktion: Es ist unbestritten, dass die Nutzung von Smartphones und Tablets die Konzentrationsfähigkeit negativ beeinflusst. Andere Wissenschaftler haben hochgerechnet, dass die Jüngeren unter uns bis zu ihrem 80sten Lebensjahr in etwa 9 Jahre ihres Lebens mit der Smartphonenutzung verbacht haben werden. Zum Vergleich: 1 Jahr mit Sport und nur 6 Monate mit küssen.