Wird sich Friedrich Merz jetzt mit den Stimmen der AfD wählen lassen?

CDU-Chef Friedrich Merz ist bei der heutigen Wahl zum Bundeskanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Er erhielt nur 310 Stimmen – nötig wären 316 gewesen. Gegen Merz stimmten 307 Abgeordnete, Enthaltungen drei, eine Stimme war ungültig. Der Bundestag hat derzeit 630 Abgeordnete, abgegeben wurden allerdings nur 621 Stimmen. Die geplante Regierungskoalition aus Union und SPD kommt zusammen auf 328 Sitze im 21. Bundestag. Friedrich Merz hätte also rechnerisch mit einem Überschuss von 12 Stimmen sicher zum Bundeskanzler gewählt werden können.
Merz scheitert historisch im 1. Wahlgang – das gab es noch nie
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden alle bisherigen neun ehemaligen Bundeskanzler im ersten Wahlgang im Bundestag zum Kanzler gewählt. Keiner benötigte einen zweiten oder noch mehr Wahlgänge. Allerdings erreichten auch nicht alle Kandidaten eine komfortable Mehrheit. Besonders knapp zum Kanzler gewählt wurden etwa Konrad Adenauer 1949 (0 Stimmen Differenz zur notwendigen Mehrheit), Helmut Schmidt 1976 (+1 Stimme über der notwendigen Mehrheit), Helmut Kohl 1994 (+ 1 Stimme über der notwendigen Mehrheit) und Gerhard Schröder 2022 (+ 3 Stimmen über der notwendigen Mehrheit).
Drei Politiker waren nur eine Amtszeit lang Kanzler: Ludwig Erhard (1963-1966, CDU), Kurt Georg Kiesinger (1966-1969, CDU) und Olaf Scholz (2021-2025, SPD). Alle übrigen haben mehrere Amtszeiten absolviert – Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel liegen mit jeweils vier Amtszeiten an der Spitze.
Die Wahl der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers läuft nach Artikel 63 des Grundgesetzes (GG) ab. Danach wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt. Zu einer erfolgreichen Wahl benötigt die Kanzlerkandidatin oder der Kanzlerkandidat in der ersten Wahlphase die absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen (316 im Falle von Friedrich Merz). Das bedeutet, er oder sie muss die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinen. Man spricht auch von der „Kanzlermehrheit“.
Kommt bei der Wahl im ersten Durchgang keine absolute Mehrheit zustande, schließt sich eine zweite Wahlphase an. Der Bundestag hat nun 14 Tage Zeit, denselben oder einen anderen Kandidaten zum Kanzler zu wählen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt. Auch hierbei ist die absolute Mehrheit notwendig (Artikel 63, 3 GG). Ist diese zweite Phase ebenfalls nicht erfolgreich, so muss das Parlament in einer dritten Phase unverzüglich erneut abstimmen. Gewählt ist dann, wer die meisten Stimmen erhält (relative Mehrheit).
Matthias Janson, 06.05.2025