Pressemitteilung
Neue EU-Kennzeichnungsregeln ab 13. Dezember
Berlin im Dezember 2014. Unleserliche Mini-Schriftgrößen, irreführende Nährwertangaben, versteckte Gentechnik: Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die neue, EU-weite Lebensmittelinformationsverordnung als verbraucherpolitischen Offenbarungseid kritisiert. Wenn ein Gros der Regelungen am 13. Dezember dieses Jahres Gültigkeit erlangt, sei dies eher ein Rückschritt für die Verbraucher, kritisierte Lena Blanken, Expertin für Lebensmittelkennzeichnung bei foodwatch: „Die neuen Kennzeichnungsregeln bringen wenig Transparenz, sie schützen nicht vor Täuschung und sie schreiben diese verbraucherfeindlichen Vorgaben auch noch auf Jahre hinweg im Gesetzesblatt fest. Die Lebensmittelindustrie hat sich in Brüssel die Lizenz zum Weiterschummeln besorgt.“
Auch wenn mit der EU-Verordnung erfreulicherweise verbindliche Nährwertangaben von 2016 an erstmals Pflicht für alle Hersteller werden, beginnen schon bei der Form der Kennzeichnung die Probleme: Denn die verbindliche Angabe der wichtigsten Nährwerte auf der Vorderseite der Verpackung wurde von der Lebensmittelindustrie verhindert. Macht ein Hersteller diese Angaben jedoch freiwillig, so darf er dafür unrealistisch kleine Portionen festlegen, für die er die Zucker-, Fett- oder Salzwerte mithilfe irreführender Prozentwerte auf der Packungsvorderseite kleinrechnet (zum Beispiel Angabe des Fettgehalts für eine 30-Gramm-Portion Kartoffelchips).
Die verbraucherfreundliche, farblich unterlegte Ampelkennzeichnung nach dem ursprünglichen Modell der britischen Lebensmittelbehörde FSA hatte unter den Parlamentariern keine Mehrheit gefunden. Nach eigenen Angaben hatte die europäische Lebensmittelindustrie eine Milliarde Euro investiert, um die Ampel zu verhindern und ihr eigenes Kennzeichnungssystem (GDA) durchzusetzen.
Weiter kritisiert foodwatch:
– Schriftgröße: Statt der ursprünglich von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen 3 Millimeter müssen Pflichtangaben künftig nur in 1,2 Millimeter großer Schrift (bezogen auf das kleine „x“) auf dem Etikett stehen. Für Zeitungen und Zeitschriften sind wenigstens 2 Millimeter Standard. Dass für kleine Verpackungen sogar nur 0,9 Millimeter vorgegeben sind, zeigt, dass es in der Verordnung nicht zuerst um eine Information der Verbraucher geht – die Lebensmittelindustrie hatte bei einer größeren Schrift davor gewarnt, dass der Platz für den „Markenauftritt“ des Herstellers fehle.
– Herkunft: Verbraucher werden bei den meisten Lebensmitteln auch weiterhin nicht über die Herkunft der wichtigsten Zutaten informiert. Selbst bei Lebensmitteln, die als „regionales“ Produkt beworben werden, ist eine Auskunft über die Herkunft derzeit nicht vorgeschrieben. Die Lebensmittelindustrie leistete massive Lobbyarbeit gegen eine Ausweitung der Herkunftskennzeichnung, nachdem sich das EU-Parlament für weiterreichende Pflichtangaben ausgesprochen hatte.
– Produktabbildungen und -bezeichnungen: Weiterhin darf ein Hersteller zum Beispiel große Erdbeeren abbilden oder sein Produkt als „Erdbeer“-Produkt bezeichnen, obwohl nur homöopathische Mengen Erdbeeren enthalten sind.
– Agrargentechnik: Auch in der neuen Verordnung gibt es keine Pflicht zur Information über den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel. Ob Tierprodukte wie Milch, Eier oder Fleisch mithilfe von Agrargentechnik erzeugt wurden oder nicht, bleibt weiter unklar.
Eine ausführliche Stellungnahme zur neuen EU-Lebensmittelinformationsverordnung hat foodwatch in einem Hintergrundpapier unter bit.ly/12rje6E veröffentlicht.
Anmerkund der Redaktion: